Wolfgang Zemter

Dieter Kraemer - Marginalien zu einem Werkaspekt - Der Kölner Maler Dieter Kraemer hat sich während eines Zeitraumes von etwa zehn Jahren mit Bildern auseinandergesetzt, die - in unterschiedlichen Zusammenhängen und dabei mehr oder weniger stark ins Zentrum gerückt - den VW-Käfer thematisierten. Seit 1967 entstanden so annähernd drei Dutzend - zum Teil großformatige - 01- und Eitemperabilder. Daneben weist sein OEuvre auch einige Druckgrafiken, Zeichnungen und Aquarelle zu diesem Themenkreis auf. In Relation zum Gesamtwerk des Künstlers aber, das meist dem Stillleben verpflichtet ist, muss dieser Themenkomplex als verschwindend gering bewertet werden. Dieses gilt sowohl für die Quantität als auch für die Motivbreite; nicht aber für die Bedeutung.

 

Bei den meisten Betrachtern wird der Name des Künstlers stets mit dem Sujet dieses Autotyps in Verbindung gebracht. Die Ursache dafür ist nicht etwa darin zu finden, dass Kraemers Malerei - seit und mit der Bildübernahme dieses „Markenzeichens“ - letztlich unabdingbar im Sinne einer kunsthistorischen Klassifikation als Sujetspezialist (wie Blumen- Breughel oder Enten-Koester etwa) auf Dauer einzuordnen wäre, sondern darin, dass Kraemer durch die Motivwahl für eine gewisse Spanne nicht nur das tangiert, was wir heute „Zeitgeist“ nennen würden, sondern es geradezu exemplarisch - für einen bestimmten Bereich - zum Ausdruck bringt.

 

Damit wenden wir uns gezwungenermaßen einer Betrachtung zu, die einige allgemeine Bedingungen der Bildinterpretation exponiert: Wir beurteilen grundsätzlich alles - auch die Erscheinungen der Kunst - primär aus dem Kulturkreis heraus, dem wir angehören, geprägt durch unseren eigenen, subjektiven, persönlich und empirisch gewachsenen Hintergrund. Das heißt, dass unsere Argumentationskette ebenso wie unsere gefühlsmäßige Behandlung jeglicher fremder Thematik aus einem geschlossenen System heraus geschieht. Damit halten wir uns für den eigentlichen Maßstab in der Kritik der Außenwelt. Erst sekundär, nach Lernprozessen und der Akzeptanz anderer gesellschaftlicher Koordinaten ist eine Annäherung an die eigentlich dem Kunstwerk immanente Bedeutung möglich.

 

Alle optischen Phänomene - mithin auch die der Kunst, mögen sie ähnlich oder gleich erscheinen, sind demnach dennoch unterschied lich zu analysieren. Sie entstehen in Kulturwelten vor ethnischen, kulturellen, religiös-rituellen, sehr individuellen, politischen und entwicklungsgeschichtlich bedingten Hintergründen, die sich meist von den unseren unterscheiden - aber sie sind in diesem Geflecht unlösbar verwoben.

 

Das Eine bedingt das Andere. Ein werkgerechtes adäquates Herausstellen der essentiellen Bedeutung ist nur möglich bei voller Kenntnis aller Zusammenhänge. Diese Kenntnisse sind in der Regel nicht zu erwerben, weshalb bei den alten und den exotischen Kulturen die Forderung nach optimaler Einbindung der Kunstwerke kaum auch nur annähernd einlösbar wird. Somit werden auch wir dem Kunstwerk kaum gerecht, reduzieren es auf Teilaspekte seiner Existenz.

 

Warum diese grundsätzlichen Ausführungen? Weil wir den Künstler Dieter Kraemer und seine Arbeiten nur dann wirklich richtig beurteilen, wenn wir sein OEuvre gegenüber anderen realistischen Aspekten abgrenzen: Obschon gerade erst dreißig Jahre seit ihrem Entstehen verflossen sind, wirken diese Bilder Kraemers fremd in unserer heutigen Weitsicht, wecken nostalgische Gefühle bei denen, die diese Zeit erlebt haben.

 

Die Verwendung des Begriffes „Nostalgie" an dieser Stelle gilt uns als Indiz für das Fehlen einer unwiderbringlichen Komponente. Erinnert sei beispielhaft an die Aura des Tante-Emma Ladens mit der Geruchmischung von Salzhering, Gurken und Sauerkraut aus ihren Fässern - mit Holzzange - und das betuliche Agieren hinter der Theke beim Eintüten von losem Mehl oder der Hülsenfrüchte. Nostalgie -wohlgemerkt nur für den, der dieses auch persönlich erlebt hat. Deshalb erinnern wir uns und grenzen ab: Kraemers Bilder entstanden, als die Pop-Art ihre Triumphe feierte, Zero und das Informel die gegenstandslosen Seiten im Kunstgeschehen abdeckten und es darüber hinaus - vorwiegend, auch wegen der politischen und territorialen Isolation, Berliner Sonderweg in der Kunstszene - die „Kritischen Realisten" gab...